Christiane B. Bethke
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Christiane B. Bethke

Schein-Sein

Ein Kunstprojekt für 22 verlorenen Stadtbäume

Die sogenannte „Kirschblütenallee“ auf der Empore am Rheydter Marktplatz wurde im Sommer zu einer temporären Installation  „Schein-Sein“. Die Künstlerin setzte sich hier thematisch und ästhetisch mit dem realen Lebensraum verlorener Stadtbäume in einem prekären Umfeld auseinander.

Die Künstlerin hat über 200 m Länge schmale Stoffbinden um die Baumstämme gewickelt, die mit Piktogrammen zur Auseinandersetzung mit dem Lebewesen Baum im urbanen Raum einladen.

Begleitend gab es in den Glasvitrinen an den Kopfenden der Empore Textbeiträge von Dr. Rainer Schnettler und Fotografien von Detlef Ilgner zu sehen.

Das Projekt wurde gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW und realisiert in Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement Rheydt.

 

 

Ein Text zur Installation Schein-Sein von Dr. Rainer Schnettler

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Auf den ersten Blick ist alles in Ordnung: nette junge Kirschbäumchen auf einer Verweilfläche, zwischen großen Sonnenschirmen und gemütlichen Kaffeehaustischen.

Doch schaut man genauer hin, sieht man, wie schlecht es diesen jungen Bäumen geht: sie sind recht mickrig, ihre Kronen sind verkümmert.

Es ist gute Tradition, in unsere Städte, die durch steinerne Fassaden und versiegelte Flächen beherrscht werden, Grün hineinzubringen. Der Nutzen ist vielfältig: bessere Luft, weniger Feinstaub, lebendige Abschattung, Kühlung, Auflösung der ständigen Herrschaft von Senkrechter (Fassaden) und Waagerechter (Straßen und Plätze) durch lebendige, füllige, bewegliche Formen. Die auch noch das Element des dynamischen Wachsens dem statischen der menschengemachten Baulichkeiten gegenüberstellen. Und damit auch an diejenige Natur erinnern, die vor der Bebauung war, mithin auch an unser aller Ursprung.

Doch müssen die Stadtbäume nun in ihrer ungewohnten, für sie künstlichen Umgebung, auch gepflegt und umsorgt werden. Denn die Fläche um sie herum ist versiegelt, Platten oder Asphalt verkleinern ihre Regenaufnahmefläche dramatisch.

Und so erklärt sich auch der Titel der Aktion von Christiane B. Bethke: diese jungen Kirschbäume sind eigentlich eher „Baumdarsteller“, und es „scheint“ nur so als ob sie eigenständig lebten. Dieses Leben ist nur ein „ScheinSein“, ganz auf die menschliche Pflege angewiesen. Bleibt diese aus, werden diese Darsteller von Natürlichkeit, diese Naturzitate, sehr bald verkümmern und absterben.

Sie hängen „am Tropf“ unserer Versorgung; und ganz konkret an der Wasserleitung und der Pflege der Stadtverwaltung. Und es gibt für sie eine unterirdische Anstaubewässerung, diese muss aber auch regelmäßig händisch bedient werden.

Will man also eine begrünte Empore haben, bedeutet das auch immer einen hohen Pflegeaufwand, um in einer kultivierten Umgebung ein Stück „ursprüngliche“ Natur zu haben.

Diese zweiundzwanzig Kirschbäume „scheinen“ mehr lebendiger Baum zu sein, als sie es tatsächlich noch sind. Vielmehr geht ihnen ihr natürliches Sein zunehmend verloren.

Deshalb sind diese jungen Bäume wohl doch eher als ein Zitat von Natur zu verstehen, ihre Existenz deutet gleichzeitig auf die Künstlichkeit ihrer Situation hin. Und Christiane B. Bethke weist mit ihrer Arbeit auf einen würdevolleren Umgang hin.

Die Künstlerin umwickelt den Stamm mit einem floral bedruckten Stoff, hüllt ihn sorgsam ein. So zeigt sie, dass die Aufmerksamkeit für diese unseren stummen Mitbewohner des öffentlichen Raumes notwendig ist. Und zeigt außerdem auf die verschenkte Möglichkeit einer schönen Gestaltung hin.

Dann bringt Christiane B. Bethke auf diesen Umhüllungen, auf dunkel magentaroten Stoffbinden, mit Schabloniertechnik in weißer Baumschutzfarbe Logos auf, die die tragische Situation dieser Bäume erfassen: Sie hängen am Tropft, sie brauchen mehr Pflege und Fürsorge, ihnen fehlt Wasser, ihre wichtigste Lebensgrundlage hier. Das Symbol des Pflasters zeigt die Krankheit der Bäume auf und die Notwendigkeit einer wirklichen Pflege.

Diese verlorenen Bäume gehören allen Bürgern, sie sind ein Teil des kommunalen Reichtums einer Stadt. Und deshalb müssen diese Mit-Lebenwesen auch sorgsam gepflegt werden.

Vielleicht wäre es ja auch möglich, ihre Pflege einem im Quartier Verantwortlichen in die Hand zu geben, der sich, weil vor Ort und in gutem Kontakt zum Stadtgrün, individueller um die oft geschundenen Stadtbäume kümmern kann?

Wie man hört, werden die kranken Kirschbäume in ein paar Jahren einfach entsorgt und im „ex und hopp“-Verfahren gegen neue ausgetauscht.

Aber wenn dann neue Kirschbäume an ihre Stelle getreten sind: wird es denen dann besser ergehen?

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Schein-Sein

Auf den ersten Blick ist alles in Ordnung: nette junge Kirschbäumchen auf einer Verweilfläche, zwischen großen Sonnenschirmen und gemütlichen Kaffeehaustischen.

Doch schaut man genauer hin, sieht man, wie schlecht es diesen jungen Bäumen geht: sie sind recht mickrig, ihre Kronen sind verkümmert.

Es ist gute Tradition, in unsere Städte, die durch steinerne Fassaden und versiegelte Flächen beherrscht werden, Grün hineinzubringen. Der Nutzen ist vielfältig: bessere Luft, weniger Feinstaub, lebendige Abschattung, Kühlung, Auflösung der ständigen Herrschaft von Senkrechter (Fassaden) und Waagerechter (Straßen und Plätze) durch lebendige, füllige, bewegliche Formen. Die auch noch das Element des dynamischen Wachsens dem statischen der menschengemachten Baulichkeiten gegenüberstellen. Und damit auch an diejenige Natur erinnern, die vor der Bebauung war, mithin auch an unser aller Ursprung.

Doch müssen die Stadtbäume nun in ihrer ungewohnten, für sie künstlichen Umgebung, auch gepflegt und umsorgt werden. Denn die Fläche um sie herum ist versiegelt, Platten oder Asphalt verkleinern ihre Regenaufnahmefläche dramatisch.

Und so erklärt sich auch der Titel der Aktion von Christiane B. Bethke: diese jungen Kirschbäume sind eigentlich eher „Baumdarsteller“, und es „scheint“ nur so als ob sie eigenständig lebten. Dieses Leben ist nur ein „ScheinSein“, ganz auf die menschliche Pflege angewiesen. Bleibt diese aus, werden diese Darsteller von Natürlichkeit, diese Naturzitate, sehr bald verkümmern und absterben.

Sie hängen „am Tropf“ unserer Versorgung; und ganz konkret an der Wasserleitung und der Pflege der Stadtverwaltung. Und es gibt für sie eine unterirdische Anstaubewässerung, diese muss aber auch regelmäßig händisch bedient werden.

Will man also eine begrünte Empore haben, bedeutet das auch immer einen hohen Pflegeaufwand, um in einer kultivierten Umgebung ein Stück „ursprüngliche“ Natur zu haben.

Diese zweiundzwanzig Kirschbäume „scheinen“ mehr lebendiger Baum zu sein, als sie es tatsächlich noch sind. Vielmehr geht ihnen ihr natürliches Sein zunehmend verloren.

Deshalb sind diese jungen Bäume wohl doch eher als ein Zitat von Natur zu verstehen, ihre Existenz deutet gleichzeitig auf die Künstlichkeit ihrer Situation hin. Und Christiane B. Bethke weist mit ihrer Arbeit auf einen würdevolleren Umgang hin.

Die Künstlerin umwickelt den Stamm mit einem floral bedruckten Stoff, hüllt ihn sorgsam ein. So zeigt sie, dass die Aufmerksamkeit für diese unseren stummen Mitbewohner des öffentlichen Raumes notwendig ist. Und zeigt außerdem auf die verschenkte Möglichkeit einer schönen Gestaltung hin.

Dann bringt Christiane B. Bethke auf diesen Umhüllungen, auf dunkel magentaroten Stoffbinden, mit Schabloniertechnik in weißer Baumschutzfarbe Logos auf, die die tragische Situation dieser Bäume erfassen: Sie hängen am Tropft, sie brauchen mehr Pflege und Fürsorge, ihnen fehlt Wasser, ihre wichtigste Lebensgrundlage hier. Das Symbol des Pflasters zeigt die Krankheit der Bäume auf und die Notwendigkeit einer wirklichen Pflege.

Diese verlorenen Bäume gehören allen Bürgern, sie sind ein Teil des kommunalen Reichtums einer Stadt. Und deshalb müssen diese Mit-Lebenwesen auch sorgsam gepflegt werden.

Vielleicht wäre es ja auch möglich, ihre Pflege einem im Quartier Verantwortlichen in die Hand zu geben, der sich, weil vor Ort und in gutem Kontakt zum Stadtgrün, individueller um die oft geschundenen Stadtbäume kümmern kann?

Wie man hört, werden die kranken Kirschbäume in ein paar Jahren einfach entsorgt und im „ex und hopp“-Verfahren gegen neue ausgetauscht.

Aber wenn dann neue Kirschbäume an ihre Stelle getreten sind: wird es denen dann besser ergehen?